„Sie haben da einen blinden Fleck!“

von Cornelia Twisselmann

Wieder mal steht die Augenuntersuchung an, in meinem Fall die Gesichtsfeldmessung. Ich gebe mein Bestes und bemühe mich, alle eingeblendeten Punkte zu markieren, aber offensichtlich nicht ganz so erfolgreich wie gewünscht.

Der Arzt schaut sich den Ausdruck an und meint ganz sachlich: „Sie haben da einen blinden Fleck!“ Ich höre das und mache mir so meine Gedanken, wie es mit meinen Augen weitergehen kann, gleichzeitig kommt mir aber der Gedanke in den Sinn, dass blinde Flecken im normalen Leben ebenfalls vorkommen und auch immer negativ behaftet sind. Positive blinde Flecken scheint es weder in der Augenheilkunde noch im zwischenmenschlichen Leben zu geben.

Mein blinder Fleck behindert meine Sehfähigkeit. Es bedeutet, dass ich an dieser Stelle nur einen Bruchteil dessen sehe, was tatsächlich da ist. In meinem Leben ist es ähnlich. Wie oft beurteile ich etwas, von dem ich nur einen Bruchteil sehe und erkenne?!? Oft liegt die Wahrheit vielleicht genau unter diesem Fleck verborgen und ich kann sie nicht sehen und ziehe daher falsche Rückschlüsse.

In der Bibel finde ich dazu einen sehr passenden Satz: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? “ (Matthäus 7,3)

Haben wir nicht oft einen blinden Fleck, wenn es um Selbsterkenntnis geht? Wir sehen bei anderen Menschen Fehler, aber unsere eigenen, die vielleicht viel größer und schwerwiegender sind, sehen wir nicht bzw. wollen wir nicht sehen. Ich möchte noch mehr darauf achten, meine eigenen blinden Flecken zu sehen und andere Menschen durch die Brille der Liebe zu betrachten. Dann kann selbst eine Beeinträchtigung zum Segen für andere Menschen werden.