Leben im Zeichen des Regenbogens
Neulich war ich am Deich in Wremen unterwegs. Die Corona-Krise bedrückte mich, und wenn mein Herz schwer ist, mache ich oft einen Spaziergang ans Wasser. So auch an diesem Tag.
Ich begann beim Gehen zu beten und Gott mein Herz auszuschütten. Da kam mir plötzlich ein Bibelvers in den Sinn: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Und mir wurde klar: Dieses Versprechen, das Gott einst Noah gab, als die große Flut vorüber war, das gilt auch für uns heute.
Noah und seine Familie erlebten eine Katastrophe: Um sie herum war die ganze Welt, die sie kannten, in den Fluten versunken. Sie mussten es monatelang in der Arche aushalten, einem selbstgezimmerten, riesigen Schiff, dazu noch mit einer unglaublichen Menge an Tieren, die sie zu versorgen hatten. Ihre Welt stand Kopf: Sie mussten anders leben lernen. Und sie waren voller Sorge: Würden sie diese Zeit überstehen? Würde die Welt nach dieser großen Flut eine andere sein?
Mir geht es zurzeit ganz ähnlich. Ich muss auch anders leben lernen. Wenn ich morgens aufstehe, dann weiß ich: Ich muss heute nicht los. Meine Schülerinnen und Schüler sind nicht da. Ich arbeite im Home-Office. Ich muss lernen, einen neuen Rhythmus zu finden, Arbeit und Pausen anders zu strukturieren.
Und dazu mache ich mir Sorgen: Wer in meiner Familie, in meinem Bekanntenkreis wird schwer erkranken, wer vielleicht sterben? Werden die, die ohnehin allein leben, die Einsamkeit verkraften? Wie wird es uns ergehen ohne die Umarmungen unserer Freunde und unserer Lieben, ohne die aufmunternden Blicke und Gesten derer, mit denen wir unser Leben teilen? Werden wir aus dem Tritt geraten? Werden wir uns in der Familie irgendwann unfassbar auf die Nerven gehen? Und wird unsere Welt nach der Krise eine andere sein?
Wir erfahren in der Bibel nichts darüber, wie es in der Arche zuging und wie die Menschen diese Zeit verkraftet haben. Wir lesen aber dies: Als die Welt schließlich aus den Fluten wieder auftauchte, schlammig und verwüstet, voller Zerstörung und Tod, da gab Gott den Menschen das Versprechen, das bis heute gilt: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht (1. Mose 8, 22). Und damit sich die Menschen immer wieder an dieses Versprechen erinnern konnten, setzte Gott den ersten Regenbogen in die Wolken.
Wir dürfen bis heute im Zeichen des Regenbogens leben und hoffen. Das macht mir Mut. Gott hat nicht gesagt, dass es einfach wird. Aber er hat versprochen, dass er die Erde in seiner Hand hält, und uns auch. Egal was auf uns zukommt: Wir können leben im Zeichen des Regenbogens.