Zwischentöne

Von Cornelia Twisselmann

Ich sitze an meinem Schreibtisch und erledige Osterpost. Durch das eingeklappte Fenster höre ich den gemäßigten Straßenverkehr, der seit Corona um einiges weniger geworden ist. Plötzlich erwecken neue Töne meine Neugier. Eine Amsel flötet und singt, als ob es nichts anderes zu tun gäbe in diesen Tagen. Mir kommen bei ihrem Gesang fast die Tränen, so berührt bin ich. Da ich sie nur höre, aber in unserem Garten nicht ausmachen kann, setze ich mich einen Moment ans Fenster und schaue konzentriert, bis ich sie bei den Nachbarn auf einem Baum sitzen sehe. Ein völlig unscheinbarer Vogel mit einer großartigen Stimme und der flötet, als ob es einen Preis zu gewinnen gäbe.

Weiß er denn nicht, was uns Menschen gerade so belastet? Sieht er denn nicht, wie sich die Menschen aus dem Weg gehen und die Straßen und Plätze leer sind? Dass auf dem Spielplatz keine Kinder fröhlich herumtoben, sondern der Platz einsam und verwaist daliegt? Das alles interessiert ihn nicht. Er wird einfach seinem Auftrag gerecht und singt, mir zur Freude und Ermutigung.

Corona hat nicht das letzte Wort und Frühling ist es trotzdem geworden. Es liegt an mir, was ich anschaue und worauf ich mich konzentriere. Martin Luther wird das Zitat zugeschrieben, das ich sehr passend finde: „Ihr könnt es nicht verhindern, dass die Vögel der Sorgen über euren Köpfen fliegen, aber ihr könnt dafür sorgen, dass sie keine Nester darauf bauen.“ So kann eine unscheinbare Amsel dafür sorgen, dass ich meinen Blick auf die schönen Dinge des Lebens richte und nicht nur auf das, was gerade über die Welt schwappt. Gott ist immer noch da und hat sich nicht von uns zurückgezogen. Das zeigt mir diese kleine Amsel und es tut gut!