Wie eine Lupe!
Sechs Kreuzfahrtschiffe lagen letzte Woche in Bremerhaven, einige weitere auf Reede vor Wangerooge. Sie kamen mir vor wie Dinosaurier, irgendwie aus einer anderen Zeit – kaum vorstellbar, dass sich mehrere Tausend Menschen freiwillig auf so engem Raum zusammendrängen ließen und dies auch noch Urlaub nannten. Dass ich selbst dieses Jahr nicht einfach mal für ein verlängertes Wochenende in ein Flugzeug steigen würde, um am anderen Ende Europas eine Stadt neu kennenzulernen und zu erkunden, ist eine andere Folge von Corona. So wird es wohl Heidelberg werden oder Lüneburg.
Was ich in der ersten Zeit des Lockdowns für total verrückt hielt – mehrere Wochen nicht shoppen zu gehen, nicht ins Kino, nicht ins Restaurant, hat irgendwie seinen Schrecken verloren – dafür habe ich mir viel Gegend im nassen Dreieck erradelt und Meister des aufwendigen Picknicks wurde ich ganz nebenbei.
Neben allem Schrecklichen der Epidemie, dem Sterben und dem Ringen um das Leben, was ich nicht verharmlosen möchte, hat Corona aber auch noch eine ganz andere Auswirkung: Wie eine Lupe lässt Corona uns genauer sehen, was wirklich wichtig ist.
Was freue ich mich auf den Tag, an dem ich endlich wieder meinen Vater umarmen darf. Oder wenn wir in der Kirche wieder laut und aus vollem Halse Loblieder singen dürfen. Mit Freunden eng an eng bis spät zusammenzusitzen, ohne alle 20 Minuten das Fenster aufzureißen. Und wieder ins Krankenhaus zu gehen oder ins Altenheim oder zu manchen Einsamen nach Hause, um nach denen zu schauen, deren Lebenskraft aufgebraucht ist, mit ihnen zu reden, zu lachen und zu beten.
„Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen, sammelt euch aber Schätze im Himmel!“, so sagt Jesus das in einer seiner größten Predigten, in der Bergpredigt (Matthäus 6, 19-20). Was hat wirklich Ewigkeitswert? Was bleibt über den heutigen Tag hinaus? Was zu manchen Zeiten schwer zu unterscheiden ist, durch die Corona-Lupe wird es so viel deutlicher. Eigentlich ist es ganz schlicht – oder?
Und wenn bald wirklich ein Impfstoff gefunden ist und sich das Leben wieder normalisiert, dann werde ich das hoffentlich trotzdem nicht vergessen haben. Wie gerne möchte ich da weiter klar unterscheiden. Das jedenfalls habe ich mir fest vorgenommen.